Diversity Diary: Einheit und Vielfalt

01 Oktober: Nationalfeiertag in China

 

Von der Verbotenen Stadt zum kommunistischen Staat

 

Jahrhundertelang war die verbotene Stadt in Peking Sitz der Kaiser von China, das heute offiziell „Zhonghua Renmin Gongheguo“ – Volksrepublik China – heißt. Zurückgezogen vom Volk herrschten die Kaiser uneingeschränkt über das Land. Immer wieder wurde China dabei jedoch in Kriege verwickelt, denen es nicht gewachsen war. Vor allem im Nordend gingen große Gebiete an Russland verloren. Infolgedessen wuchs der Unmut des Volkes gegenüber der imperialistischen Kaiserherrschaft. Nach einem Aufstand verzichtete Kaiser Puyi im Jahr 1911 auf seinen Thron. Damit endete die seit 221 v. Chr. ununterbrochen bestehende Herrschaft chinesischer Kaiser. Für kurze Zeit wurde China zur Republik; 1914 kam Yuan Shikai an die Macht und errichtete eine Militärdiktatur. Dem Vordringen der ausländischen Mächte vermochte aber auch er nichts entgegenzusetzen. Erneute schwere Unruhen ließen das Land auseinanderbrechen: Tibet und die Mongolei erklärten sich für unabhängig. Nach dem Vorbild der russischen Revolution entstand 1921 die Kommunistische Partei Chinas. 1934 wurde Mao Zedong Vorsitzender des Zentralkomitees. Vor dem Hintergrund der japanischen Eroberung der Mandschurei 1931 kämpften die Kommunistische Partei und die Kuomintang um die Vorherrschaft in China. Letztlich gelang es Mao Zedong, die von Japan besetzten Gebiete zurückzuerobern. Die Kuomintang zogen sich auf die Insel Taiwan zurück und errichteten dort eine Diktatur. Der Konflikt zwischen China und Taiwan besteht bis heute – unter anderem macht China allen Handelspartnern zur Bedingung, das Taiwan nicht als chinesische Republik anerkannt wird. 

Am 01. Oktober 1949 rief Mao – getragen von einer breiten Mehrheit der Bevölkerung - die Volksrepublik aus. Auch wenn diese für viele zunächst mit positiven Effekten verbunden war – so wurden Großgrundbesitzer*innen enteignet und das Ackerland an die Bauern verteilt; ebenso wurden die Rechte der Frauen massiv gestärkt – zeigte die Mao-Regierung jedoch bald ihr wahres Gesicht: 1966 begann die zehnjährige „Kulturrevolution“, deren eigentliches Ziel es war, alles Individuelle auszulöschen. Schulen und Universitäten wurden geschlossen, die Jugendlichen in „Roten Garden“ organisiert und aus den Städten zur Arbeit aufs Land abkommandiert. 

 

Diktatur des Volkes

 

Auch wenn China verfassungsgemäß eine „Diktatur des Volkes“ ist, ist die Kommunistische Partei der alleinige Herrscher. Eine Gewaltenteilung gibt es in China nicht. Formell ist der Nationale Volkskongress das höchste gesetzgebende Organ. Ihm gehören etwa 3000 Abgeordnete an. Nur einmal im Jahr kommen sie zusammen. Die eigentlichen Entscheidungen fallen im „Ständigen Ausschuss des Nationalen Volkskongresses“. Volkskongresse gibt es auch auf Provinz-, Bezirks- und Kreisebene. Auf keiner dieser Ebenen sind die Wahlen wirklich frei; die Kandidat*innen werden von der Partei vorgegeben. 

Aktueller Präsident – und zugleich Generalsekretär der Kommunistischen Partei und oberster Führer der Armee - ist seit 2013 Xi Jinping. Seither richtet sich die chinesische Politik in erster Linie darauf, die eigenen Interessen zu verwirklichen und die eigene Wirtschaftsmacht zu festigen – vor allem gegenüber dem Westen. China ist Atommacht und ständiges Mitglied im Weltsicherheitsrat. Die politischen Ziele werden jeweils in Fünf-Jahres-Plänen festgelegt. 2017 wurde die Begrenzung des Präsidentschaftsamts auf zwei Amtszeiten abgeschafft. 

Bereits zu Zeiten des Kaiserreichs -um 1800 – war China wirtschaftlich führend und produzierte ein Drittel aller weltweiten Güter. Auch heute ist China die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt; allerdings ging dem wirtschaftlichen Aufschwung eine lange Zeit des Notleidens voraus: Planungsfehler und Naturkatastrophen führten Ende der 50er Jahre zu einer Hungersnot, die schätzungsweise 45 Millionen Menschenleben kostete. Erst nachdem Maos Nachfolger Ende der 70 Jahre wirtschaftliche Reformen angestoßen und die zentrale Planwirtschaft schrittweise durch marktwirtschaftliche Elemente ersetzt hatte, wuchs die Wirtschaft kontinuierlich – allein in den letzten zwanzig Jahren jährlich um etwa 9 Prozent; das Bruttoinlandsprodukt versechsfachte sich in dieser Zeit. Hinter den USA und Japan ist China heute das Land mit den meisten Millionären der Welt.

Mit dem wirtschaftlichen Aufstieg zu Beginn des 21. Jahrhunderts begann China, auch außenpolitisch seinen Machtanspruch zu demonstrieren, etwa durch Finanzierung von Entwicklungsprojekten in Afrika oder – aktuell – durch das Projekt „Neue Seidenstraße“, die den vordergründig den Ausbau der Handelsroute von China nach Europa anstrebt, allerdings zugleich auch den politischen und militärischen Einfluss Chinas auf die Welt festigen soll. 

Der Tod Maos 1978 brachte zwar ein Umdenken in wirtschaftlicher Hinsicht; die persönlichen Freiheiten blieben jedoch eingeschränkt. Gegen Demonstrierende und Intellektuelle ging die Regierung mit aller Härte vor: 1989 schlug das Militär auf dem Platz des Himmlischen Friedens gewaltsam Proteste nieder. Mehrere Tausend Personen starben oder wurden verletzt. Seit 2018 werden Uiguren, Kasachen, Kirgisen, Muslime und Christen in Lagern interniert, wo sie umerzogen werden sollen. Und in Hongkong kommt es seit der Rückgabe der ehemaligen britischen Kolonie an China immer wieder zu Protesten der einheimischen Bevölkerung. Weltweit ist China das Land, in dem die Todesstrafe am häufigsten vollzogen wird – die genauen Zahlen bleiben allerdings Staatsgeheimnis.

 

Bedrohte Artenvielfalt

 

Von den eisigen Steppen Sibiriens bis zu den tropischen Inselstaaten im Südchinesischen Meer reicht das Land – zwischen den Grenzen im Nordend und Süden sowie Westen und Osten liegen jeweils mehr als 5000 Kilometer. 

Im Westen Chinas liegen die Hochgebirge des Himalaya, Tian Shan, Pamir und Altai. Daran schließen sich die wüstenähnlichen Hochplateaus der Inneren Mongolei an. Hier sind die Winter frostig und die Sommer heiß. Auch während des Tages schwanken die Temperaturen enorm.

Der Jangtsekiang, der China von West nach Ost durchfließt, ist der längste Fluss Asiens und der drittlängste der Welt. Er entspringt in den Hochebenen Tibets und mündet nördlich von Shanghai in das Ostchinesische Meer. Überschwemmungen sind hier häufig. Auch von tropischen Wirbelstürmen, Taifunen, Erdbeben und Dürrekatastrophen wird China überdurchschnittlich oft heimgesucht.

Aufgrund der hohen landschaftlichen und klimatischen Vielfalt verfügt China über eine hohe Biodiversität. Sogar Arten, die in anderen Gegenden der Welt längst ausgestorben sind, haben in China überlebt, darunter der Große Panda, der eine Art Nationalheiligtum darstellt. Die Zahl der Pandabären wird fortlaufend überwacht; in Chengdu wurde eine Nachzuchtstation eingerichtet. Bereits in den 50er Jahren wurden die ersten Nationalparks angelegt. Heute sind 15 Prozent der Landesfläche in rund 2700 Nationalreservaten geschützt.

Der Wirtschaftsaufschwung zieht allerdings auch große ökologische Probleme nach sich: Durch den hohen Energieverbrauch, der vor allem durch Kohlekraftwerke gedeckt wird, stieg die Luftverschmutzung vor allem in den Städten rapide. Auch das Grundwasser ist vielerorts verschmutzt. China hat den höchsten CO2-Ausstoß der Welt; die Volksrepublik ist für ein knappes Drittel aller Emissionen verantwortlich, auch wenn sich die Regierung seit der Ratifizierung des Pariser Klimaabkommens bemüht, den Umwelt- und Klimaschutz zu stärken. 

 

Überwachtes Leben

 

Flächenmäßig ist China mit rund 9,5 Millionen Quadratkilometern lediglich das drittgrößte Land der Welt – aber mit rund 1,5 Milliarden (!) Einwohner*innen das – mit Abstand – bevölkerungsreichste. Den sozialen und wirtschaftlichen Folgen des schnellen Bevölkerungswachstums versuchte die chinesische Regierung seit den 70er Jahren mit einer gesetzlichen Restriktion der Kinderzahl zu begegnen. So waren zwischen 1973 und 1979 pro Familie nur zwei Kinder erlaubt; 1979 wurde die „Ein-Kind-Politik“ eingeführt und teils gewaltsam – mit Zwangsabtreibungen – durchgesetzt. Eine Folge dieser brutalen Regelung ist, dass vor allem in den ländlichen Regionen ein Mangel an Mädchen und Frauen herrscht, denn hier wurden weibliche Föten besonders häufig abgetrieben. Die Ein-Kind-Politik erreichte das Ziel, die Bevölkerungszahl zu senken, nicht. 2018 wurde die Regelung aufgehoben; mittlerweile propagiert die Regierung sogar die Drei-Kind-Politik. 

Auch ein weiteres Phänomen versuchte die chinesische Regierung ab der Mitte des 20. Jahrhunderts durch Freiheitseinschränkungen zu bekämpfen: die in vielen Ländern einsetzende Wanderungsbewegung vom Land in die Städte. Bis 1984 wurden Arbeitsplätze, Wohnort und Getreiderationen staatlich zugewiesen – so war es den Chines*innen faktisch unmöglich, in die Stadt zu ziehen. Heute wird eine Erhöhung des Urbanisierungsgrades angestrebt, um das Wirtschaftswachstum zu steigern. 

Der Armut vor allem in den Städten wird durch eine gezielte Sozialpolitik begegnet. Das staatliche Sozial- und Gesundheitsversicherungssystem soll von Arbeitnehmer*innen gezielt auf alle Bürgerinnen und Bürger ausgedehnt werden, auch ein Sozialhilfesystem wurde aufgebaut, das Hilfe im Katastrophenfall leistet und Bedürftige unterstützt. Die staatliche Versicherung springt jedoch nur ein, wenn es keine unterhaltspflichtigen Verwandten gibt. Alle Angaben zur persönlichen Situation werden streng durch staatliche Organe, aber auch durch „Einwohnerkomitees“ kontrolliert. 

Presse und Internet unterliegen in China einer strengen Zensur – soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter sowie Suchmaschinen wie Google und große Informations- und Unterhaltungsdienste wie Wikipedia und Youtube sind verboten bzw. werden durch einheimische Seiten ersetzt, die „unliebsame“ Inhalte herausfiltern. Auch im „analogen“ Leben wird die Bevölkerung strikt überwacht: Überall auf Straßen und Plätzen sind Überwachungskameras installiert  - im ganzen Land schätzungsweise bis zu 600 Millionen. Überwacht und indoktriniert werden auch Schüler*innen, Studierende und Lehrende: Von Anfang an wird im Unterricht ein Fokus auf nationalistische Werte gelegt. Jede gegen die Kommunistische Partei gerichtete Äußerung kann Konsequenzen nach sich ziehen. 

Seit 2020 gibt es ein Sozialpunkte-System, das sozialadäquates Verhalten mit Punkten belohnt bzw. regelwidriges Verhalten mit Punktabzug bestraft. Wer wenig Sozialpunkte hat, muss im Alltagsleben, etwa bei der Buchung von Urlaubsreisen, mit Nachteilen rechnen. 

 

Harmonie über alles

 

Religion und Staat sind in China strikt getrennt – so erhebt der Staat beispielsweise keine Kirchensteuer. Fast 74 Prozent der Bevölkerung bezeichnet sich als „nicht religiös“; nicht ungewöhnlich ist das Bekenntnis zu mehreren Religionen. Am verbreitetsten sind der Buddhismus, der Konfuzianismus und der Taoismus. Letzterer ist um die Zeit Christi Geburt in China entstanden. Er beinhaltet zum Beispiel die auch hierzulande bekannten Lehren vom Qi (dem Energiefluss) und des Gleichgewichts von Yin und Yang, die Entspannungstechnik des Qigong und Meditationspraktiken. Im siebten und achten Jahrhundert gelangte der Islam nach China, später auch das Christentum. Auch wenn alle vier Religionen anerkannt sind, ist die römisch-katholische Kirche in China verboten und wurde unter Mao verfolgt. Verfolgt werden heutzutage auch die Anhänger*innen der Religionsgemeinschaft der Falun Gong, die Meditation und Qigong-Übungen mit moralischen Grundsätzen kombinieren.

Allen chinesischen Religionen ist gemeinsam, dass in ihrem Mittelpunkt kein unsichtbarer Gott steht, sondern das Leben, die Erde, das Glück und die Harmonie. 

In der traditionellen chinesischen Kunst, Musik und Literatur kommt dies zum Ausdruck. Berühmt ist die chinesische Porzellanherstellung, die auch zum Vorbild europäischer Manufakturen wurde. Eine Sammlung chinesischen Porzellans könnt ihr beispielsweise im Museum Angewandte Kunst in Frankfurt-Sachsenhausen bewundern.

Eine lange Tradition hat das chinesische Puppenspiel mit Marionetten, Stock- oder Handpuppen oder als Schattentheater. Nachgespielt werden volkstümliche Szenen, die durch Musik begleitet werden. 

Der Wunsch nach Harmonie prägt auch die Alltagskultur der Chines*innen. China ist traditionell eine kollektivistische Kultur, in der die Gemeinschaft einen höheren Stellenwert genießt als das Individuelle. Soziale Beziehungen werden sorgfältig aufgebaut und gepflegt; durch ausgesuchte Höflichkeit und Gastfreundlichkeit soll ein günstiger Eindruck gewonnen werden. Viele Chines*innen verhalten sich in der Öffentlichkeit anders als im privaten Bereich. Hier gilt es vor allem, „das Gesicht zu wahren“. Kritik am eigenen Verhalten wird in China nicht als konstruktiv, sondern als destruktiv verstanden; folglich erfolgt ein Großteil der Kommunikation indirekt. Geschätzt werden ein ruhiges, zurückhaltendes Auftreten und eine gelassene Haltung. Die Familienstruktur ist patriarchalisch; Kinder hinterfragen die Entscheidungen ihrer Eltern normalerweise nicht. 

Harmonie der Elemente, Yin und Yang prägen auch die Mahlzeiten, wobei es „die“ chinesische Küche gar nicht gibt. Unterschieden werden zahlreiche Regionalküchen. Allen gemeinsam ist jedoch der Verzicht auf Milchprodukte, denn Laktoseintoleranz ist in China weit verbreitet. Reis wird vorwiegend im Süden Chinas gegessen; im Norden kommen eher Weizenprodukte auf den Tisch. Beliebt sind Schweine-, Hühner-, Rind- und Entenfleisch. Dass Chines*innen darüber hinaus gerne Hunde- oder Katzenfleisch zu sich nehmen, gehört ins Reich der Legenden; zutreffend ist jedoch, dass diverse Insekten oder Schlangen als Delikatesse gelten. International bekannt sind Gerichte wie Frühlingsrolle, Dim Sun, Pekingente und Schweinefleisch Süß-Sauer. Wichtig sind Farbe und Aroma der Speisen. Nach der 5-Elementen-Lehre sollen Mahlzeiten so zusammengestellt werden, dass alle Elemente (Holz für „sauer“, Feuer für „bitter“, Erde für „süß“, Metall für „scharf“, Wasser für „salzig“) ausgewogen sind. Die Esskultur ist kommunikativ. Anders als hierzulande gelten Geräusche wie Schmatzen, Schlürfen oder das Reden mit vollem Mund nicht als unhöflich, sondern als Ausdruck des Genießens. Lediglich das Schnäuzen bei Tisch ist tabu. Beim chinesischen Menü, das mehrere Gänge umfasst, wird die Suppe nicht vorweg, sondern als einer der letzten Gänge serviert – sie soll die letzten Hohlräume im Magen ausfüllen. Auch der Reis wird oft als letztes gereicht. Serviert werden die Speisen auf einer drehbaren Platte in der Tischmitte; in der Regel sitzen die Gäste an runden Tischen, die Ehrengäste dabei zu Seiten des Gastgebers. Es gilt als Zeichen der Höflichkeit, mehr Speisen aufzutischen, als die Gäste verzehren. Beliebte Getränke sind Tee, aber auch Bier, Reis -und Pflaumenwein. Letztere dienen oft als Grundlage für Trinkspiele. Im Nordend könnt ihr die chinesische Küche beispielsweise im Sampan in der Eckenheimer Landstraße, im RuYi in der Friedberger Landstraße oder im Restaurant Yung im Oeder Weg probieren.

Zum Nationalfeiertag erhalten die Chines*innen nicht nur einen arbeitsfreien Tag, als „Goldene Woche“ ist gleich die ganze Woche arbeitsfrei. Eine weitere „Goldene Woche“ hat die chinesische Regierung zum Frühlingsfest im Januar/Februar eingeführt.

Nicht nur das chinesische Neujahrsfest lohnt einen Besuch in China: Mehr als 30 Bauwerke zählen zum Weltkulturerbe, darunter die Große Mauer, das Mausoleum Qin Shihuangdis mit mehr als 7000 lebensgroßen Figuren der Terrakotta-Armee (eine Nachbildung der Figuren konntet ihr Anfang der 2000er Jahre auch in Frankfurt bestaunen) und natürlich der Kaiserpalast in Peking. In Frankfurt leben 4.884 Menschen mit chinesischem Pass. Einen Einblick in die chinesische Kultur und Sprache erhaltet ihr in Frankfurt beispielsweise bei Veranstaltungen des Konfuzius Institut.

 

 

Zum Weiterlesen:

Xue Mo: Die Riten der Wüste. Bacopa Verlag Schiedlberg 2020, ISBN 978-3903071650. Erzählt vom Leben am Rand der Wüste im Nordwesten Chinas.

Jung Chang, Wilde Schwäne. Knaur Taschenbuch, 2004. ISBN 978-3426627051. Erzählt die Geschichte einer Familie von der Kaiserzeit bis in die 70er Jahre. 

 

Zum Weiterschauen:

Der letzte Kaiser (1987) erzählt die Geschichte von Puyi, der als Kind zum Kaiser gekrönt wurde und in der verbotenen Stadt aufwächst, bis er durch die Kommunisten verhaftet wird. Erhältlich auf DVD

Beijing bicycle (2001) erzählt die Geschichte des 17 jährigen Guei, der vom Land nach Peking zieht und sich als Fahrradkurier verdingt. Der Film war bis 2004 in China verboten. Erhältlich auf DVD

Leben (1994). Erzählt die Geschichte einer Familie in der Mao-Ära. Erhältlich auf DVD. 

 

In Frankfurt:

Museum für Angewandte Kunst, Schaumainkai 17, Frankfurt-Sachsenhausen

Sampan, Eckenheimer Landstr. 93, Frankfurt-Nordend

Ru Yi, Friedberger Landstr. 88, Frankfurt-Nordend

Yung, Oeder Weg 32, Frankfurt Nordend

Konfuzius-Institut: www.konfuzius-institut-frankfurt.de

 

 

01. Oktober: Nationalfeiertag in Nigeria

 

Friede und Fortschritt…

 

„Einheit und Glaube, Friede und Fortschritt“ ist der Wahlspruch Nigerias, das am 01. Oktober seinen Nationalfeiertag begeht. Am 01. Oktober 1960 wurde der afrikanische Staat, der an der westafrikanischen Küste zwischen Benin, Kamerun, Tschad und Niger liegt, von Großbritannien unabhängig. Fast 100 Jahre lang war Nigeria zuvor britische Kolonie gewesen. Der junge Staat erlebte eine Epoche innerer Unruhen, bevor 1967 das Militär die Macht übernahm. Erst ab 1988 konnten sich schrittweise demokratische Strukturen etablieren, wenngleich Aufstände und Gewalt bis heute andauern. So kam es bei Demonstrationen im vergangenen Jahr zu willkürlichen Festnahmen und zum Mord an dutzenden Menschen durch Sicherheitskräfte. 

Nigeria ist heute eine präsidiale Demokratie mit einem Zweikammerparlament. Dem Senat gehören 109 Mitglieder an; das Repräsentantenhaus verfügt über 360 Sitze. Alle vier Jahre werden die Abgeordneten neu gewählt. Derzeit dominierende Partei ist die sozialdemokratische  „All Progressive Congress“ Es gibt in Nigeria auch eine GRÜNE Partei, die „Green Party of Nigeria“. Der Präsident ist zugleich Regierungschef und Oberbefehlshaber der Armee; aktueller Amtsinhaber ist seit 2015 Muhammadu Buhari. 

 

Erdöl contra Artenvielfalt

 

Mit rund 924.000 Quadratkilometern ist Nigeria in etwa zweieinhalbmal so groß wie Deutschland. In Nigeria liegt das Nigerdelta, das – mit einer Größe, die in etwa Bayern entspricht, eines der größten Flussdeltas der Welt ist. Während das Klima im Süden tropisch feucht-heiß ist, mit einer Regenzeit von April bis Oktober, herrscht im Norden trockenes Wüstenklima mit Temperaturen, die bis auf 50 Grad klettern und im Laufe des Tages um 20 Grad schwanken können. Die unterschiedlichen Klimazonen sorgen für eine hohe ökologische Vielfalt: An den Küsten dominieren Mangrovensümpfe, im Norden erstrecken sich Grassavannen, die nach Süden hin in Regenwälder übergehen. Leider fielen auch in Nigeria weite Teile der Urwälder der Rodung zum Opfer. Nur knapp 3 Prozent der Landesfläche sind in Naturparks geschützt – es gibt acht Naturschutzgebiete. Vor allem die Erdölförderung hat in den letzten Jahrzehnten zu massiven Umweltschäden geführt: Mehrere Explosionen von Pipelines kosteten nicht nur zahlreiche Menschenleben, sondern sorgten auch für die Verseuchung ganzer Gebiete. So traten im Mai 2010 aus einer Pipeline in Akwa Ibom rund 3000 Barrel Öl aus und zerstörten einen der größten Mangrovenwälder der Erde. 

 

Zwischen Islam, Christentum und Tradition – Leben in Nigeria

 

Mit 200 Millionen Einwohner*innen ist Nigeria das bevölkerungsreichste Land des afrikanischen Kontinents. Allein zwischen 1989 und 2019 hat sich die Bevölkerungszahl verdoppelt! Mehr als jede*r Zehnte ist in der größten Stadt des Landes, Lagos, zu Hause, die bis 1991 auch die Hauptstadt Nigerias war (seither ist es Abuja). Nigerias Bevölkerung ist äußerst divers: im Land leben mehr als 250 Ethnien. 514 verschiedene Sprachen und Mundarten werden gesprochen. Vier von ihnen sind offizielle Amtssprachen: Hausa, Igbo, Yoruba und Englisch. Während die Sprache der Hausa in arabischer Schrift geschrieben wird, verwenden die Yoruba und die Igbo das lateinische Alphabet. Die Gruppe der Hausa macht zusammen mit den muslimischen Fulbe rund ein Drittel der Bevölkerung aus; die Yoruba, die im Südwesten beheimatet sind, etwa 21 Prozent und die christlich geprägten Igbo, die vorwiegend im Süden leben, etwa 18 Prozent. 

Auch die religiöse Vielfalt ist immens, neben dem Islam und dem Christentum sind zahlreiche traditionelle Religionen verbreitet, in denen Ahnenkult, Geister und Fetischismus eine große Rolle spielen. Vor allem zwischen Muslimen und Christ*innen kommt es immer wieder zu Konflikten und – unter dem Einfluss islamistischer Gruppen wie den Boko Haram – auch zu Terrorangriffen. Seit Beginn des Jahrtausends nimmt auch in Nigeria die Tendenz zur Islamisierung zu – so wurde in den nördlichen Bundesstaaten bereits die Scharia eingeführt. Vor allem Homosexuelle leben im Norden Nigerias gefährlich: Nach der Scharia können sie mit Todesstrafe durch Steinigung bestraft werden. In anderen Landesteilen droht ihnen eine lebenslange Haftstrafe. Konservative Kräfte fordern, die Gesetze noch zu verschärfen, um homosexuelle Menschen auch im Alltag zu marginalisieren. Unter anderem wir GRÜNE setzen uns im Deutschen Bundestag für die Rechte der homosexuellen Menschen in Nigeria ein. 

Auch wenn das Wirtschaftswachstum in Nigeria hoch ist und das Land dank der Erdöl- und Diamanten-Exporte zu den größten Volkswirtschaften auf dem afrikanischen Kontinent gehört, sind die Vermögen ungleich verteilt. Dem reichen Süden, in dem die großen Städte Lagos und Abuja liegen, stehen arme Gebiete im Norden des Landes gegenüber. Dazu kommt die in der politischen und wirtschaftlichen Führungsriege verbreitete Korruption, die auch zu Steuerverlusten in Milliardenhöhe führt. Rund die Hälfte der Nigerianer*innen lebt unterhalb der Armutsgrenze von weniger als zwei US-Dollar am Tag. Nur 40 Prozent der privaten Haushalte haben Zugang zu Elektrizität. Mit nicht einmal 55 Jahren hat Nigeria eine der geringsten Lebenserwartungen weltweit. Eine staatliche Gesundheitsfürsorge gibt es nur für Regierungsbeamte – alle anderen sind auf die Hilfe ihrer Familien angewiesen. Nicht einmal jede*r zweite Nigerianer*in hat Zugang zu sauberem Trinkwasser; ein öffentliches Wasserleitungssystem gibt es in Nigeria nicht. AIDS ist ein großes Problem; viele Menschen sterben an der Autoimmunschwäche. 

Auch wenn in Nigeria eine neunjährige Schulpflicht herrscht, besucht nur etwa jedes zweite Kind eine Schule. Viele Kinder müssen von klein auf zum Familieneinkommen beitragen. Vor allem in den ärmeren Gebieten des Nordens ist Analphabetismus verbreitet: Nur rund zwei Drittel der Männer und nicht einmal die Hälfte der Frauen können lesen und schreiben. 

Viele Nigerianer*innen sind in andere Länder ausgewandert. In Frankfurt sind 632 Menschen mit nigerianischem Pass zu Hause. 

Das Nebeneinander von traditionellen, islamisch-arabischen und christlich-europäischen Einflüssen prägt auch die nigerianische Kultur. Die muslimischen Yoruba erfanden beispielsweise die Apala-Musik, die mit ihren Trommeln ursprünglich die Gläubigen zu Ramadan aufwecken sollte. Auch der zweite landestypische Musikstil, der Sakara, entwickelte sich aus Gebetsliedern der Yoruba. Bekannt sind die Terrakotta-Figuren der Nok, die etwa 500 v.Chr. gefertigt wurden. Eine Sonderausstellung mit diesen Skulpturen konntet ihr 2013/2014 im Liebighaus in Frankfurt sehen. 

Nigerianisches Essen ist oft scharf gewürzt und mit viel Chili verfeiernt. Eine Spezialität sind Suya, Grillspieße mit Leber und Rindfleisch. Sie werden oft auf der Straße verkauft und zwischendurch gegessen. Beliebte Gerichte sind auch Kilishi, luftgetrocknete gegrillte Fleischstücke und „Egussi Soup“, ein Eintopf aus Fleisch, Fisch und Melonenkernen. 

Nigerianisches Essen und nigerianische Kultur könnt ihr u.a. im Rahmen der Afrika-Festivals erleben, die in Frankfurt – außerhalb von Corona – jährlich im Sommer stattfinden.

 

Zum Weiterlesen:

Elnathan John: An einem Dienstag geboren. AfrikAWunderhorn, 2017. ISBN 978-3-88423-5522, erzählt von der Islamisierung des nördlichen Nigerias unter den Boko Haram

Helon Habila: Öl auf Wasser. Verlag Das Wunderhorn Heidelberg 2012, ISBN 978-3884233917. Kriminalroman, der die Zerstörung der Umwelt durch die Ölindustrie thematisiert.

 

Zum Weiterschauen:

Lionheart (2018), erzählt von einer jungen Frau, die sich in der männerdominierten Geschäftswelt Nigerias durchsetzen muss. Abrufbar auf Netflix

Endlich den Frieden säen. Die ARTE-Reportage reflektiert die Rolle und das Potential der Landwirtschaft in Nigeria. Abrufbar auf Youtube.

Überleben nach Boko Haram. Die ARTE-Reportage berichtet vom Alltagsleben im Bundesstaat Borno, der von den Boko Haram terrorisiert wird. Abrufbar auf ARTE.

 

In Frankfurt:

Afrikanisches & Karibisches Kulturfest: www.afro-karibik.de

Afrikanisches Kulturfest: www.afrikanisches-kulturfest.de

 

 

03. Oktober: Tag der Deutschen Einheit

20 kuriose und weniger kuriose Fakten über Deutschland:

  • Deutschland ist weltweit das Land mit den meisten Zoos: Über 400 Tiergärten gibt es in der Bundesrepublik
  • In Deutschland kennt man mehr als 300 Sorten Brot und mehr als 1000 Wurstsorten
  • Deutschland ist nur der zweitgrößte Bierkonsument der Welt; die Iren trinken mehr Bier. 
  • Deutschland belegt im Recycling weltweit den dritten Platz. 48 % der Abfälle werden wiederverwendet. Nur Österreich und die Schweiz recyceln noch mehr
  • Obwohl das Halmaspiel in Amerika als „Chinese Checkers“ (Chinesisches Damespiel) bekannt ist, wurde es nicht in China, sondern in Deutschland erfunden. Auch Zeitschriften sind eine deutsche Erfindung – die erste war 1663 das Hamburger Magazin „Erbauliche Monaths-Unterredungen“.
  • Der höchste Kirchturm der Welt steht in Ulm – er ist über 161 Meter hoch. Und der schiefste Turm steht nicht in Pisa, sondern in Suurhausen! Der Kirchturm der ostfriesischen Stadt hat eine Neigung von 5,19 Grad – der schiefe Turm von Pisa bringt es lediglich auf 3,97 Grad
  • Außer der Eintracht gibt es in Deutschland noch 24.999 andere Fußballvereine. Etwa ebensoviele Burgen und Schlösser sind in Deutschland zu finden. 
  • In Deutschland gibt es 51 Natur- und Kulturerbestäten, die als UNESCO Welterbe anerkannt sind. Aus Hessen kam in diesem Jahr beispielsweise die Mathildenhöhe in Darmstadt dazu. 
  • Neben dem Münchener Oktoberfest als dem größten Volksfest der Welt findet in Deutschland auch das größte Weinfest weltweit – der Wurstmarkt in Bad Dürkheim
  • Deutschland ist das bevölkerungsreichste Land Europas. Allein in Berlin leben so viele Menschen wie in ganz Uruguay. 
  • Ein Drittel der deutschen Landesfläche sind mit Wäldern bedeckt. Das waldreichste Bundesland mit einem Anteil von 42 % des gesamtdeutschen Waldbestands ist unser schönes Hessen!
  • Die engste Straße der Welt liegt im baden-württembergischen Reutlingen. Die Spreuerhofstraße in der Reutlinger Innenstadt ist stellenweise nur 31 Zentimeter breit. Um den Weltrekord nicht zu gefährden, dürfen die anliegenden Gebäude nicht abgerissen werden. 
  • Der höchste Kaltwassergeysir liegt nicht in Island, sondern im bayerischen Andernach. Die Wassersäule steigt 50 bis 60 Meter hoch. 
  • Die kleinste Gemeinde Deutschlands ist Gröde auf der Hallig Gröde. Sie hat gerade einmal acht Einwohner*innen
  • Überall werden Fahrradwege ausgebaut - auf Helgoland ist das Fahrradfahren allerdings aufgrund der engen Straßen verboten. Ausnahmen gelten nur für Polizei, Feuerwehr und Katastrophenschutz sowie von Oktober bis April für Kinder unter 14 Jahren. 
  • Deutschland war 1916 das erste Land der Welt, das die Sommerzeit eingeführt hat. Seit 1980 gilt die Sommerzeit bis heute – am 31. Oktober werden die Uhren wieder umgestellt. 
  • Nur in Deutschland und in Aserbaidschan dürfen Autofahrer*innen auf der Autobahn unbegrenzt Gas geben. Aus Klimaschutz- und Sicherheitsgründen fordern wir GRÜNE eine Beschränkung auf 130 km/h. 
  • Im  aktuellen Klimaschutzindex, der die Klimaschutzbemühungen von 61 Ländern misst, liegt Deutschland auf Platz 19. Damit hat sich die Bundesrepublik im Vergleich zum letzten Jahr um vier Plätze verbessert. 
  • Etwa 14 Prozent der erwachsenen Menschen in Deutschland durften bei der Bundestagswahl nicht mit abstimmen, weil sie keinen deutschen Pass besitzen. Rund 10 Millionen Menschen mit anderer Staatsangehörigkeit leben und arbeiten in Deutschland und zahlen hier ihre Steuern. Wir GRÜNE setzen uns daher dafür ein, dass auch sie ein Wahlrecht erhalten. 
  • In Deutschland ist es verboten, im Gleichschritt über eine Brücke zu laufen. Denn die dadurch ausgelösten Schallwellen führten 1831 in England zum Einsturz einer Brücke, als 74 Soldaten im Gleichschritt darüber marschierten. Auch kurios: Noch bis 2018 konnte gegen Einbrecher*innen in Hessen rein theoretisch die Todesstrafe verhängt werden – die Verfassung wurde erst 2018 durch Volksabstimmung geändert. 

 



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